Der Wiederaufbau in der Verbandsgemeinde Altenahr soll den Menschen nach der Flutkatastrophe wieder eine lebenswerte und ansprechende Heimat schaffen. Doch diese wird anders aussehen als vor 2021. Denn damit das Mammutprojekt Wiederaufbau langfristig Früchte trägt, muss es die Ortsgemeinden auch für zukünftige Extremwetterereignisse wappnen: Traditionelle gestalterische und baukulturelle Aspekte müssen mit technischen Herausforderungen für den Hochwasserschutz in Einklang gebracht werden. Dieser Beitrag zeigt, wie das geschieht.
Für den nachhaltigen Wiederaufbau verfolgt die Verbandsgemeinde Altenahr einen roten Faden – in Form des städtebaulichen Leitkonzepts, das der Rat der Verbandsgemeinde im Juli 2023 beschloss. In den Prozess wurden alle Ortsgemeinden, die Genehmigungsbehörden, die maßgeblichen Fachbüros sowie die Bürgerinnen und Bürger einbezogen.
Das Konzept betrachtet den nachhaltigen Wiederaufbau in seiner ganzen thematischen Breite und formuliert zwölf Leitziele. Thematisch behandeln diese das künftige Wohnen, Leben und Arbeiten im Ahrtal, den nachhaltigen Umgang mit Mobilität, Landschaft und Ressourcen sowie organisatorische Möglichkeiten zur Umsetzung. Darunter ist auch die Minimierung von Hochwassergefahren für die bauliche Infrastruktur.
Hochwasserschutz mit regionaler Baukultur verknüpfen
Wie für alle anderen Ziele legt das Leitkonzept auch zum Hochwasserschutz strategische Eckpunkte sowie Maßnahmen und Projektideen dar. So kommt es hier unter anderem darauf an, die vielfältigen Möglichkeiten des hochwasserangepassten Bauens passgenau zu nutzen und zu kombinieren. Darunter fallen Maßnahmen wie der Verzicht auf ein Kellergeschoss, ein höher gelegenes Erdgeschoss, die Installation druckdichter Türen und Fensterverschlüsse oder die Unterbringung von Heizungsanlagen und sonstige Haustechnik in den Obergeschossen. Um den Menschen in der Verbandsgemeinde wieder ein ansprechendes Lebensumfeld zu gestalten, gilt es bei der Umsetzung jedoch, den baulichen Charakter der Region zu erhalten. Dafür empfiehlt das Konzept einen Leitfaden zur hochwasserangepassten Bauweise, der den Schutzaspekt mit der nachhaltigen Weiterentwicklung der örtlichen Identität sowie des touristisch relevanten Erscheinungsbildes der Ortslagen verbindet.
In diesem Zusammenhang entstand 2023 die Ideensammlung hochwasserresiliente Baukultur. Grundlage waren bestehende Ratgeber zur regionaltypischen Bauweise und Sanierung sowie Ideenskizzen aus den Ortsentwicklungskonzepten. Als Orientierungs- und Entscheidungshilfe verbindet die Ideensammlung Hochwasserschutzmaßnahmen mit der jeweiligen Situation in den Ortslagen und den Elementen der regionalen Baukultur. Für verschiedene Ortstypen zeigt sie beispielhafte Maßnahmen sowie Gestaltungsempfehlungen auf – ebenso wie Elemente und Gestaltprämissen für das idealtypische hochwasserresiliente Eifelhaus.
Diese Grundsätze werden etwa beim Neubau der Friedhofskapelle Altenahr berücksichtigt: Sie wird – im Gegensatz zum Vorgängerbau – ohne Kellergeschoss errichtet und die haustechnischen Anlagen unter das Dach verlagert. Außen wird das neue Gebäude mit Schiefer verkleidet, um dem traditionellen Baustil der Region treu zu bleiben. Ein anderes Beispiel ist die Ahrtalschule Realschule plus in Altenahr: Bei der Sanierung werden die Fach- und Technikräume in obere Geschosse verlegt, um sie vor einem erneuten Hochwasser zu sichern. Auch der Kindergarten Wibbelstätz in Hönningen wird auf zwei Geschossen hochwasserangepasst saniert.
Brücken: Mehr Platz für das Wasser
Einen weiteren strategischen Eckpunkt widmet das Leitkonzept konkret dem hochwassersicheren Wiederaufbau von Brücken. Denn die Flutkatastrophe zeigte, dass sich durch Treibgut an den traditionell oft massiv konstruierten Brücken Verstopfungen bilden können, die den Durchlass für das Fließgewässer behindern. Die zerstörten und beschädigten Brücken sollen deshalb durch schlanke, strömungsgünstige Brücken mit einer größeren Durchflusskapazität ersetzt werden. Als gemeinsame Grundlage für die Wiederherstellung aller Brückenbauwerke im Ahrtal dient ein Gestaltungshandbuch, das die Partner auf kommunaler und landesweiter Ebene gemeinsam erarbeitet und abgestimmt haben.
Anhand von Beispielen und Erläuterungen vermittelt das Handbuch Gestaltungsmerkmale – etwa hinsichtlich Materialien, Färbung, Form, Technik und Nachhaltigkeit. Zudem enthält es einen Bauteilkatalog für Elemente wie Geländer, Pfeiler oder Widerlager. So soll das Handbuch für eine einheitliche und zum Ahrtal passende Gestaltung der zukünftigen Brückenbauwerke sorgen – und gleichzeitig Freiraum für eine individuelle Planung lassen.
Konkret zeigen sich die neuen Leitlinien für die Gestaltung von Brücken etwa am Neubau der Weinbaubrücke in Dernau. Die im Juni 2025 eingeweihte Brücke besitzt einen strömungsgünstig gestalteten Pfeiler, der dem durchfließenden Wasser wenig Widerstand bietet. Ihr Erscheinungsbild zeichnet sich durch Beton- und Natursteinelemente aus. Die neue Brücke Vor Kiehren in Hönningen wird sogar ganz ohne Mittelpfeiler auskommen. Sie wird die Ahr ab Mitte 2026 mit einem obenliegenden Tragwerk auf einer Länge von 49 Metern überspannen – und so einen maximalen Wasserdurchfluss sicherstellen. Die für den Unterbau verwendeten Betone werden außerdem klimafreundlich produziert – ganz im Sinne der Nachhaltigkeitsziele aus dem städtebaulichen Leitkonzept.
Resilienz ist mehr als Hochwasserschutz
Hochwasseranpassung ist nur einer von vielen Aspekten beim nachhaltigen Wiederaufbau in der Verbandsgemeinde Altenahr. Noch an unzähligen weiteren Stellen sorgen zahlreiche Menschen dafür, dass ihre Heimat nicht nur wiederaufgebaut, sondern auch fit für die Zukunft gemacht wird: Von Glasfaser über Strom und Wasser bis hin zu Straßen und Plätzen entsteht moderne Infrastruktur. In zahlreichen Ortsgemeinden werden Nahwärmekonzepte vorangetrieben. Durch einen absehbar höheren Takt der wiedereröffneten Ahrtalbahn erhält auch die nachhaltige Mobilität in der Region neuen Schub. Und nicht zuletzt sorgen ein neuer Alarm- und Einsatzplan der Feuerwehr, Schulungen, ein neuer Verwaltungsstab sowie moderne Kommunikationsmittel und ein neues Sirenen-Netz für einen verbesserten Katastrophenschutz. Diesen Themen werden wir uns an anderer Stelle ausführlicher widmen.
Einen Vorgeschmack bietet die erste Folge unseres neuen Podcasts zum Wiederaufbau. Darin geht Dominik Gieler, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde, auf die aktuellen Entwicklungen ein.